Pressenotiz 12/2013
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Pressenotiz 12/2013 - 29. Juli 2013

Innere Rotation eines fernen Sterns aufgedeckt

Mit Hilfe asteroseismologischer Daten des Weltraumteleskops CoRoT konnten Forscher die innere Rotation eines sonnenähnlichen Sterns bestimmen - und einen Exoplaneten charakterisieren.

Eine Gruppe von Wissenschaftlern unter Leitung des Max-Planck-Institutes für Sonnensystemforschung (MPS) und der Universität Göttingen hat zum ersten Mal zweifelsfrei die innere Rotation eines sonnenähnlichen Sterns gemessen und die Neigung seiner Rotationsachse bestimmt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich der Stern HD52265 etwa 2,3 Mal so schnell wie die Sonne dreht und seine Drehachse um 30 Grad gegenüber der Verbindungslinie zur Erde geneigt ist. Der Stern HD52265 befindet sich mehr als 90 Lichtjahre entfernt im Sternbild Einhorn. Die Wissenschaftler konnten zudem beweisen, dass der Körper, der den Stern umkreist, in der Tat ein Exoplanet ist und nicht - wie zuvor argumentiert worden war - ein Brauner Zwerg, ein extrem massearmer Stern. Dies ist das erste Mal, dass Forscher Methoden der Asteroseismologie genutzt haben, um die Masse eines Körpers einzugrenzen, der einen sonnenähnlichen Stern umkreist. Die Asteroseismologie untersucht die inneren Schwingungen von Sternen. Die neuen Ergebnisse wurden heute in der Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America" (PNAS) veröffentlicht.

In Sternen, die der Sonne ähneln, steigt heißes Plasma im Innern auf, kühlt ab und sinkt wieder herab. Forscher sprechen von Konvektion. Dieser Vorgang erzeugt Druck- bzw. Schallwellen, die im Inneren des Sterns eingeschlossen sind. Sie sorgen dafür, dass der Stern wie eine Glocke vibriert. Die Asteroseismologie nutzt die Schwingungen an der Oberfläche, um - neben anderen Eigenschaften - die Rotation im Inneren von Sternen zu bestimmen.

 

Abbildung 1: Der Blick des CoRoT-Weltraumteleskops auf Stern HD52265 und den Exoplaneten, der ihn umkreist.
(Grafik: Mark A. Garlick / markgarlick.com)

 

Die Forschergruppe unter Leitung von Prof. Dr. Laurent Gizon, Direktor am MPS und Professor an der Universität Göttingen, verwendete für ihre Studie Daten des Weltraumteleskops CoRoT. Zwischen November 2008 und März 2009 richtete das Teleskop 117 Tage lang seinen Blick ohne Pause auf Stern HD52265. Solch lange und ununterbrochenen Beobachtungszeiten sind entscheidend, um die Schwingungsfrequenzen eines Sterns mit der notwendigen Genauigkeit bestimmen zu können.

"Die Drehung des Sterns hinterlässt winzige Spuren in den Frequenzen, mit denen er schwingt", erklärt Gizon. Druckwellen, die sich in Richtung der Rotationsbewegung ausbreiten sind schneller als solche, die sich in entgegengesetzte Richtung bewegen. Dies führt zu Unterschieden in den Schwingungsfrequenzen, die im hypothetischen Fall eines nicht-rotierenden Sterns nicht vorhanden wären. Die Sichtbarkeit der einzelnen Schwingungen hängt zudem vom Winkel ab, unter dem der Stern betrachtet wird.

"Die asteroseismologischen Ergebnisse stimmen hervorragend mit denen anderer, unabhängiger Messungen überein", betont Gizon. Eine dieser unabhängigen Methoden misst die Geschwindigkeit, mit der sich dunkle Sternflecken, auf der Oberfläche eines Sterns bewegen. Die neuen Ergebnisse zeigen, dass im Fall des Sterns HD52265 die Rotationsgeschwindigkeit an der Oberfläche und die im Innern sehr ähnlich sind. Dies trifft auch auf die Sonne und anderen sonnenähnliche Sterne zu.

Seit mehr als zehn Jahren ist zudem bekannt, dass ein zweiter Körper, genannt HD52265b, den Stern umkreist. "Da seine Masse jedoch nicht bekannt war, war unklar, ob er zu einer Klasse massearmer Sterne, so genannter Brauner Zwerge, zu rechnen ist oder ob es sich um einen Exoplaneten handelt", erklärt Dr. Thorsten Stahn von der Universität Göttingen.

Eine untere Grenze für die Masse von Stern HD52265b hatten Forscher bereits zuvor mit Hilfe der Radialgeschwindigkeitsmethode bestimmt. Sie nutzten dafür aus, dass der Stern und sein Begleiter streng genommen um den gemeinsamen Massenschwerpunkt kreisen. Von der Erde aus betrachtet sieht es deshalb so aus, als "wackele" der Stern leicht hin und her. Die genaue Masse lässt sich jedoch nur bestimmen, wenn auch die Neigung der Bahnachse des Planeten bekannt ist. Mit Hilfe der Asteroseismologie lässt sich die Neigung der Drehachse des Sterns berechnen. Da in der Regel angenommen wird, dass beide Achsen dieselbe Neigung aufweisen, konnten die Forscher die untere Grenze für die Masse in die tatsächliche Masse umrechnen. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass HD52265b 1,85 mal so schwer wie der Jupiter ist", so Stahn. "Der Körper kann deshalb kein Brauner Zwerg sein."

"Dies wirft die Frage auf: Wie konnte ein solch riesiger Planet in so geringer Entfernung zu einem Stern entstehen", sagt Dr. Hannah Schunker vom MPS. "Die Neigung der Drehachse birgt zusätzliche Informationen über dieses System aus Stern und Planet. Diese könnten uns helfen zu entscheiden, welches Szenario für Entstehung und Evolution des Systems am wahrscheinlichsten ist".

Zudem belegen die neuen Ergebnisse auf eindrucksvolle Weise das Potential der Asteroseismologie, die Geheimnisse des Innern von Sternen zu lüften und Exoplaneten zu charakterisieren, die sie umkreisen.

Die Studie wurde im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 963 "Astrophysikalische Strömungsinstabilität und Turbulenz" der Deutschen Forschungsgemeinschaft durchgeführt. In dem Sonderforschungsbereich arbeiten elf Forschungseinrichtungen aus Göttingen und Umgebung eng zusammen. Das Teilprojekt "Asteroseismologie und Dynamos in sonnenähnlichen Sternen" wird von Prof. Dr. Laurent Gizon und Dr. Hannah Schunker geleitet.


Originalveröffentlichung

Gizon et al.:
Seismic constraints on rotation of Sun-like star and mass of exoplanet,
Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS), Early Edition, 29. Juli 2013
doi:10.1073/pnas.1303291110


Weitere Informationen

< Sonderforschungsbereich 963 "Astrophysikalische Strömungsinstabilität und Turbulenz"
< Teilprojekt A18 "Asteroseismologie und Dynamos in sonnenähnlichen Sternen"
< CoRoT-Homepage


Kontakt

Prof. Dr. Laurent Gizon
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und
Institut für Astrophysik, Universität Göttingen
Max-Planck-Straße 2
37191 Katlenburg-Lindau
Tel.: +1 212 992 75 46
Email: gizon@mps.mpg.de

Dr. Birgit Krummheuer
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung
Max-Planck-Straße 2
37191 Katlenburg-Lindau
Tel.: 05556 979 462
Fax: 05556 979 240
Mobil: 0173 3958625
Email: krummheuer@mps.mpg.de



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Presseinfo
29-07-2013