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Pressenotiz 10/2004 vom 27. Oktober 2004
Sonne seit über 8.000 Jahren nicht mehr so aktiv wie heute
Internationales Forscherteam rekonstruiert historischen Verlauf der
Sonnenaktivität und prognostiziert deren Rückgang in wenigen Jahrzehnten.
Die Aktivität der Sonne im Verlauf der letzten 11.400 Jahre, also
zurück bis zum Ende der letzten Eiszeit, hat jetzt erstmals eine
internationale Forschergruppe um Sami K. Solanki vom
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung durch Isotopenanalyse
von Jahrtausende alten Bäumen und Polareis rekonstruiert. Wie die
Wissenschaftler aus Deutschland, Finnland und der Schweiz in der neuen
Ausgabe der Zeitschrift "Nature" berichten, muss man über 8.000 Jahre
in der Erdgeschichte zurückgehen, bis man einen Zeitraum findet, in
dem die Sonne im Mittel ebenso aktiv war wie in den vergangenen 60
Jahren (nature, 28. Oktober 2004). Aus dem Studium früherer Perioden
mit hoher Sonnenaktivität sagen die Forscher voraus, dass die
gegenwärtig hohe Aktivität der Sonne wahrscheinlich nur noch wenige
Jahrzehnte andauern wird.
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Abbildung 1: Großer Sonnenfleck, der Anfang September 2004 auf der der Sonne zu sehen war. Das Bildfeld umfaßt ca. 45 000 km mal 30 000 km auf der Sonne - die gesamte Erde wuerde also mehrfach in das Bild passen. Sonnenflecken erscheinen dunkel, weil das in ihnen durch die Sonnenoberfläche tretende starke Magnetfeld den Energietransport durch Gasstroemungen unterdrueckt. Im inneren, dunkleren Bereich des Sonnenflecks (der Umbra) steht das Magnetfeld senkrecht, während es in der etwas helleren Peripherie (der Penumbra) weitgehend horizontal ist.
(Bild: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung; die Aufnahme wurde gewonnen Vasily Zakharov, MPS, mit dem 1-m Sonnenteleskop auf der Insel La Palma, betrieben vom Instituts fuer Sonnenphysik der Koeniglichen Schwedischen Akademie der Wissenschaften)
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Schon 2003 hatte die Forschergruppe erste Hinweise gefunden, dass die
Sonne heute aktiver ist als in den 1.000 Jahren zuvor. Anhand eines
neuen und längeren Datensatzes konnte jetzt der studierte Zeitraum auf
11.400 Jahre ausgedehnt werden, so dass nunmehr die ganze Zeitspanne
seit dem Ende der letzten Eiszeit auf der Erde abgedeckt ist. Dabei
zeigte sich, dass die Sonne seit den 40er Jahren des letzten
Jahrhunderts aktiver ist als in den 8.000 Jahren zuvor. Dies bedeutet,
dass sie mehr dunkle Sonnenflecken, aber auch mehr Eruptionen und
Gasausbrüche als in der Vergangenheit zeigt. Ursache und Energiequelle
für alle diese Phänomene ist das Magnetfeld der Sonne.
Seit der Erfindung des Fernrohrs im frühen 17. Jahrhundert beobachten
Astronomen regelmäßig die Sonnenflecken. Hierbei handelt es sich um
Regionen auf der Oberfläche der Sonne, in denen die Energieversorgung
aus dem Inneren aufgrund der in ihnen wirkenden starken Magnetfelder
behindert wird. Dadurch kühlen diese Gebiete um etwa 1.500 Grad ab und
erscheinen dunkel im Kontrast zu ihrer rund 5.800 Grad heißen
Umgebung. Die Zahl der Sonnenflecken schwankt in einem etwa
elfjährigen Aktivitätszyklus, der von längerfristigen Schwankungen
überlagert ist. So gab es beispielsweise in der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts fast gar keine Sonnenflecken.
Für viele Untersuchungen über die Ursachen der Sonnenaktivität und
ihre mögliche Wirkung auf langfristige Schwankungen des Erdklimas ist
die Zeitspanne ab dem Jahr 1610, für die systematische Aufzeichnungen
von Sonnenflecken vorliegen, viel zu kurz. Für die Zeit davor muss die
Sonnenaktivität aus anderen Daten abgeleitet werden. Diese
Informationen sind auf der Erde in Form so genannter "kosmogener
Isotope" gespeichert. Das sind radioaktive Atomkerne, die in der
oberen Atmosphäre der Erde produziert werden, wenn ein energiereiches
Teilchen der kosmischen Strahlung auf ein Luftmolekül trifft. Eines
dieser Isotope ist C-14 (radioaktiver Kohlenstoff mit einer
Halbwertszeit von 5.730 Jahren), das auch zur Altersbestimmung von
Gegenständen aus Holz dient (C-14-Methode). Die Menge des produzierten
C-14 hängt stark von der Zahl der Teilchen der kosmischen Strahlung
ab, welche die Erdatmosphäre erreichen. Diese Zahl wiederum schwankt
mit der Stärke der Sonnenaktivität: Ist die Aktivität höher, so bildet
das Magnetfeld der Sonne einen effektiven Schutzschild gegen diese
Teilchen, ist die Aktivität geringer, steigt die Intensität der
kosmischen Strahlung an. Folglich wird bei höherer Sonnenaktivität
weniger und bei geringerer Sonnenaktivität mehr C-14 produziert.
Das auf diese Weise in der Hochatmosphäre gebildete C-14 gelangt in
die Biosphäre und wird unter anderem in die Biomasse von Baumstämmen
eingebaut. Einige dieser Baumstämme können Jahrtausende nach ihrem Tod
noch intakt aus dem Untergrund geborgen und das in ihnen gespeicherte
C-14 gemessen werden. Aus den Baumringen kann man dann durch Vergleich
verschiedener Bäume, deren Lebenszeit sich überlappt, das Jahr
bestimmen, in dem das C-14 aufgenommen wurde. Auf diese Art konnten
die Forscher jetzt die Produktionsrate von C-14 über 11.400 Jahre
zurück verfolgen, d.h. bis zum Ende der letzten Eiszeit. Die
Max-Planck Forscher haben nun zusammen mit ihren Kollegen aus der so
bestimmten Produktionsrate des C-14 anhand einer Reihe physikalischer
Zusammenhänge die Zahl der Sonnenflecken über diese 11.400 Jahre
berechnet. Diese Zahl ist auch ein gutes Maß für die Stärke der
verschiedenen anderen Phänomene der Sonnenaktivität.
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Abbildung 2: Oben: Aus C14-Daten rekonstruierte Sonnenfleckenzahlen (10-Jahres-Mittelwerte) fuer die vergangenen 11.400 Jahre (blaue Kurve) und die direkt beobachtete Sonnenfleckenzahlen seit 1610 (rote Kurve). Die verlaesslichen C14-Daten enden 1900, so dass der starke Anstieg der Sonnenaktivitaet im 20. Jahrhundert dort nicht in Erscheinung tritt. Die Rekonstruktion zeigt deutlich, dass ein vergleichbarer Zeitraum hoher Sonnenaktivitaet mehr als 8000 Jahre zurueckliegt.
Unten: Vergroesserter Ausschnitt des im oberen Bild schraffierten Zeitraums mit mehreren Episoden hoher Sonnenaktivitaet, die mit der im 20. Jahrhundert vergleichbar sind.
(Bild: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung)
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Die Rekonstruktionsmethode, welche jedes Glied der komplexen Kette -
von der Isotopenhäufigkeit in den Baumringen bis hin zur
Sonnenfleckenzahl - mit konsistenten physikalischen Modellen
beschreibt, konnte durch den Vergleich mit den historischen
Aufzeichnungen über Sonnenflecken und mit früheren Rekonstruktionen
der Forschergruppe auf der Basis des kosmogenen Isotops Beryllium-10
in den polaren Eisschilden geeicht werden. Dies betrifft sowohl die
Bildung der Isotope durch die kosmische Strahlung, die Modulation der
kosmischen Strahlung durch das interplanetare Magnetfeld als auch den
Zusammenhang zwischen dem Magnetfeld der Sonne und der Zahl ihrer
Flecken. Auf diese Weise gelang es den Wissenschaftlern erstmals, eine
quantitativ zuverlässige Bestimmung der Sonnenfleckenzahl für den
gesamten Zeitraum seit dem Ende der letzten Eiszeit zu gewinnen.
Da auch die Helligkeit der Sonne leicht mit der Sonnenaktivität
schwankt, ergibt sich aus der neuen Rekonstruktion auch, dass die
Sonne heute etwas heller scheint als in den 8.000 Jahren davor. Ob
dieser Effekt einen wesentlichen Beitrag zur globalen Erwärmung des
Erdklimas im vergangenen Jahrhundert geleistet haben könnte, ist eine
offene Frage. Die Forscher um Sami K. Solanki weisen jedoch darauf
hin, dass die Sonnenaktivität seit etwa 1980 im auf ungefähr
konstantem Niveau verharrt - abgesehen von Schwankungen mit dem
11-jährigen Aktivitätszyklus der Sonne -, während die Temperatur auf
der Erde in diesem Zeitraum einen starken Anstieg erfahren
hat. Allerdings zeigt der ähnliche Verlauf von Erdtemperatur und
Sonnenaktivität während der letzten Jahrhunderte (mit Ausnahme der
letzten 20 Jahre), dass der Zusammenhang zwischen Sonnenaktivität und
Erdklima weiterer Erforschung bedarf.
Verwandte Links
Welche Bedeutung hat die Sonne für das globale Klima?
Originalveröffentlichung
Sami K. Solanki, Ilya G. Usoskin, Bernd Kromer, Manfred Schüssler, Jürg Beer
Unusual activity of the Sun during recent decades compared to the previous 11,000 years
Nature, 28 October 2004
Weitere relevante Publikationen
Ilya G. Usoskin, Sami K. Solanki, Manfred Schuessler, Kalevi Mursula,
Katja Alanko
A Millemium Scale Sunspot Reconstruction: Evidence For an Unusually
Active Sun Since the 1940's
Physical Review Letters 91, 211101-1--211101-4 (2003)
Sami K. Solanki, Natalie A. Krivova
Can Solar Variability Explain Global Warming Since 1970?
Journal of Geophysical Research, 108, doi 10.1029/2002JA009753 (2003)
Ansprechpartner
Prof. Dr. Sami K. Solanki
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung
Tel.: 552 / 325
Fax : 190
solanki@linmpi.mpg.de
Prof. Dr. Manfred Schüssler
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung
Tel.: 469
Fax : 190
schuessler@linmpi.mpg.de
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