Pressenotiz 13/2010
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Pressenotiz 13/2010 - 13. Oktober 2010
Zwei Asteroiden sind in der ersten Februarhälfte 2009 jenseits der Umlaufbahn des Mars auf einander geprallt. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) und legen damit die bisher präziseste Datierung des kosmischen Zusammenstoßes vor. Die Trümmer des Aufpralls hatten Forscher weltweit auf das Ereignis aufmerksam gemacht. Zusammen mit erdgebundenen Teleskopen und dem Weltraumteleskop Hubble hat das wissenschaftliche Kamerasystem an Bord der ESA-Raumsonde Rosetta, das Forscher unter Leitung des MPS entwickelt haben und betreiben, diese Überbleibsel untersucht. Der einzigartige Blickwinkel der Sonde und aufwändige Computersimulationen ermöglichten es den MPS-Wissenschaftlern jetzt, den Aufprall exakt zu rekonstruieren. Eine Kollision zweier Asteroiden, die sich vor so kurzer Zeit ereignet hat, war bisher unbekannt. (Nature, 14. Oktober 2010).
Einige Millionen große und kleine Gesteinsbrocken bevölkern den so genannten Asteroidengürtel, die Region zwischen den Umlaufbahnen des Mars und des Jupiter. Auf ihrem Weg um die Sonne kommt es immer wieder vor, dass solche Asteroiden zusammenstoßen. Wegen der riesigen Ausmaße des Asteroidengürtels bleiben die meisten dieser Ereignisse unentdeckt. Größere Zusammenstöße, die sich vor Tausenden und Millionen von Jahren ereigneten, lassen sich anhand diffuser Staubbänder im All aufdecken. Ein anderer Hinweis sind Familien von Asteroiden mit ähnlichen Umlaufbahnen. Der Großteil des heutigen Wissens über Asteroiden-Kollisionen stammt aus der Untersuchung solcher "fossilen" Überbleibsel - eine Art von Weltraum-Paläontologie.
"Im Vergleich dazu sind der Asteroid P/2010 A2 und ein nur wenige Meter großer Mini-Asteroid sozusagen gestern in einander gerast", erklärt Dr. Colin Snodgrass vom MPS. Der Schweif aus Trümmerstücken ist mithilfe großer Teleskope noch direkt sichtbar. "Das ist, als würde man statt Fossilien einen vollständigen Dinosaurier finden", fügt Snodgrass hinzu.
Im Januar 2010 waren Wissenschaftler des amerikanischen Forschungsprojektes LINEAR (LIncoln Near-Earth Asteroid Research), die den Weltraum routinemäßig nach erdnahen Asteroiden absuchen, auf den bereits getroffen Asteroiden P/2010 A2 gestoßen. Wegen seines Aussehens hielten viele Forscher den Himmelskörper zunächst für einen Kometen - und folgten bei der Benennung deshalb der gängigen Nomenklatur für diese Himmelskörper. Erst genauere Beobachtungen in den folgenden Monaten deckten sein wahres Wesen auf.
Entscheidend für diese Zuordnung sind vor allem die Form des Trümmerschweifs und dessen zeitliche Entwicklung. "Um beides genau beurteilen zu können, kommt es in erster Linie auf die Beobachtungsperspektive an", erklärt Snodgrass. Da die Umlaufbahnen der Erde und des Asteroiden nahezu in einer Ebene liegen, bilden alle Aufnahmen von der Erde aus lediglich eine Projektion des Schweifs ab. Die wirkliche Länge und Form lässt sich so nur schlecht erkennen. Diese Einschränkung betrifft auch das hochpräzise Weltraumteleskop Hubble, das - an kosmischen Entfernungen gemessen - in unmittelbarer Nähe um die Erde kreist. Allein der Raumsonde Rosetta, die sich zum Beobachtungszeitpunkt im März 2010 weit jenseits der Umlaufbahn des Mars befand, bot sich ein völlig anderer Blick. Denn die Umlaufbahnen des Asteroiden und der Sonde sind gegeneinander verkippt.
Die Situation ist vergleichbar mit dem frontalen Betrachten einer heranrasenden Lokomotive. Die lange Reihe der angehängten Waggons ist aus dieser Perspektive nur schlecht einzuschätzen. Erst wenn man seinen Standort etwa nach oben verlegt, wird die gesamte Länge des Zuges sichtbar.
"Anhand der Aufnahmen der Raumsonde konnten wir die dreidimensionale Gestalt des Schweifs erkennen", so Snodgrass. Die Form sei für einen Kometen, der kontinuierlich Material emittiert, untypisch und deute auf den Trümmerschweif nach einem Asteroidenaufprall hin. Zusammen mit weiteren erdgebundenen Aufnahmen boten die Bilder von Rosetta den MPS-Wissenschaftlern die Möglichkeit genau zu rekonstruieren, wie sich der Schweif entwickelt hatte. Dafür fütterten sie ihr Computerprogramm zunächst mit einer Anfangsvermutung über die Größe der Trümmerstücke, die derzeit sichtbar sind. In einem nächsten Schritt berechneten sie, wie sich die Verteilung dieser Stücke zeitlich entwickeln müsste. "Durch Vergleich mit der tatsächlichen Entwicklung lässt sich die Annahme der Teilchengröße immer weiter verfeinern - bis der genaue Zeitverlauf rekonstruiert ist", erklärt Dr. Jean-Baptiste Vincent vom MPS, der die Simulationen durchführte.
Mit ihrer Methode konnten die MPS-Wissenschaftler den Zeitpunkt des Aufpralls auf zehn Tage um den 10. Februar 2009 eingrenzen. Für die Trümmerstücke ermittelten sie zudem eine Größe von mindestens einem Millimeter. Die Berechnungen der MPS-Wissenschaftler liefern einzigartige Erkenntnisse über die frühe Phase nach einer Asteroidenkollision.
Zudem ist das Ergebnis der Forscher eine bedeutende technische Leistung der Rosetta-Sonde. Der Trümmerschweif ist so schwer zu erkennen, dass dafür auf der Erde die größten Teleskope mit einer Apertur von bis zu zehn Metern und das Weltraumteleskop Hubble eingesetzt wurden. Im Vergleich ist das Kamerasystem OSIRIS an Bord von Rosetta etwa 7000 mal weniger leistungsstark. "Die OSIRIS Kamera entspricht eher dem Teleobjektiv eines Fotoapparats denn einem Teleskop", erklärt Dr. Cecilia Tubiana vom MPS, die die Bilder verarbeitet und ausgewertet hat. "OSIRIS wurde entworfen, um aus der Nähe Aufnahmen von Kometen zu machen", fügt Dr. Holger Sierks, Leiter des OSIRIS-Teams hinzu. Stattdessen trennten die Raumsonde Millionen von Kilometern vom Asteroiden P/2010 A2, so dass die Trümmerstücke nur als sehr, sehr schwacher Schweif gegen den Sternenhintergrund zu erkennen waren. Insgesamt mussten die Forscher vier Stunden lang Bilder aufnehmen und diese sorgfältig kombinieren.
Die ESA-Raumsonde Rosetta ist seit 2004 unterwegs zum Kometen Churyumov-Gerasimenko, den sie 2014 erreichen wird. Das wissenschaftliche Kamerasystem OSIRIS wurde am MPS entwickelt und gebaut. Im Juli waren dem Kamerasystem beim Vorbeiflug am Asteroiden Lutetia einzigartige Aufnahmen gelungen.
Colin Snodgrass et al.
A collision in 2009 as the origin of the debris trail of asteroid P/2010A2
Nature, 14. Oktober 2010
Dr. Birgit Krummheuer
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Presseinfo 13-10-2010 |