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Pressenotiz 23/2011
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Pressenotiz 23/2011 - 28. Oktober 2011

Lutetia: Groß, kompakt und sehr, sehr alt

Der Asteroid Lutetia könnte ein Überbleibsel aus der frühen Phase des Sonnensystems sein.

Der Asteroid Lutetia ist ein wahres Urgestein: Einige Bereiche seiner Oberfläche wurden auf ein Alter von etwa 3,6 Milliarden Jahren datiert und gehören damit zu den ältesten Oberflächen unseres Sonnensystems. Darauf deuten neue Auswertungen hin, von denen Wissenschaftler unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) jetzt in der Fachzeitschrift Science berichten. Wegen seiner hohen Dichte halten die Forscher Lutetia zudem für einen Planetesimal, die erste Entwicklungsstufe auf dem Weg zum Planeten. Die Raumsonde Rosetta der Europäischen Weltraumagentur (ESA) war im Juli 2010 am Asteroiden Lutetia vorbeigeflogen. Das Kamerasystem OSIRIS an Bord, das Forscher unter Leitung des MPS entwickelt und gebaut haben, konnte bei dieser Gelegenheit umfangreiche Aufnahmen des Himmelskörpers machen.

Vor etwa 4,5 Milliarden Jahren sah unser Sonnensystem völlig anders aus als heute: Statt der acht Planeten drehte sich erste eine Wolke, später eine Scheibe aus Gas und Staub um die gerade entstandene Sonne. Nach und nach ballte sich diese Materie zu unregelmäßig geformten Klumpen zusammen, so genannten Planetesimalen. Einige von ihnen verschmolzen zu noch größeren Brocken, den Protoplaneten - zwar noch kleiner als heutige Planeten, aber bereits kugelförmig und mit einer inneren Schichtstruktur. Doch das Weltall ist ein dynamischer Ort: Die meisten Planetesimale und Protoplaneten, die sich nicht zu echten Planeten weiterentwickelten, zerbrachen wieder als Folge heftiger Zusammenstöße.

 

Abbildung 1: A) Dieses Bild wurde beim Vorbeiflug im Juli 2010 aufgenommen. B) Ein Krater mit einem Durchmesser von 21 Kilometern in der Region Baetica. Die Pfeile a, b und c deuten auf Erdrutsche hin. C) Pfeil a zeigt die gut sichtbare Grenze zwischen den Regionen Baetica und Noricum. Pfeile b und c zeigen auf Rillenstrukturen. D) Die Pfeile deuten auf weitere Rillen.
(Bild: ESA 2010 MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA)

 

"Lutetia ist für uns ein Glücksfall", erklärt Dr. Holger Sierks vom MPS, Leiter des OSIRIS-Teams und Erstautor der neuen Studie. "Denn es gibt nur wenige Himmelskörper, die aus einer solch frühen Entwicklungsphase erhalten geblieben sind. Sie erlauben uns, einen Blick zurück in die Vergangenheit zu werfen".

Ein weiteres Beispiel ist der Asteroid Vesta, den die NASA-Raumsonde Dawn seit Juli dieses Jahres umkreist. Forscher vermuten, dass auch Vesta einer der wenigen verbleibenden Protoplaneten ist. Lutetia könnte nun einen noch weiteren Blick zurück bis zu den Anfängen des Sonnensystems ermöglichen. Ihre geringere Größe, unregelmäßige Form und vor allem ihre hohe Dichte deuten darauf hin, dass es sich hier um einen Planetesimal handelt. "Aus den Aufnahmen des Kamerasystems OSIRIS konnten wir jetzt sehr genau das Volumen von Lutetia und dann in einem zweiten Schritt ihre Dichte bestimmen", so Sierks. Mit 3,4 Gramm pro Kubikzentimeter ist diese deutlich höher als die von Granit.

"Die meisten anderen Asteroiden, die wir genauer kennen, haben eine viel geringere Dichte", so Sierks. "Wir halten diese Asteroiden für eine Art kosmische Bruchstücke - also relativ lose, poröse Ansammlungen von Körpern aus jüngeren Zusammenstößen". Lutetia hingegen scheint deutlich kompakter - und somit älter - zu sein.

 

Abbildung 2: Der Asteroid Lutetia ist eine eigene kleine Welt - mit Kratern, tiefen Rillen und Bergketten. Die Forscher konnten sieben Regionen identifizieren, die sich auf Grund ihrer morphologischen Merkmale unterscheiden.
(Bild: ESA 2010 MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA)

 

Auch die Verteilung der Krater auf Lutetias Oberfläche, die durch spätere Einschläge entstanden sind, spricht für einen kompakten Aufbau. Denn im Vergleich zu anderen Asteroiden treten besonders kleinere Krater mit einem Durchmesser von weniger als zehn Kilometern erstaunlich selten auf. Die Situation ist vergleichbar mit einer Stahlkugel, die mit großer Wucht entweder auf Beton oder in eine Sandkiste geworfen wird. Da der lose Sand einen großen Teil der Aufprallenergie absorbieren kann, entsteht im Sand nur eine kleine Mulde. Im deutlich kompakteren Beton hingegen erzeugt derselbe Wurf einen großen Einschlag.

Die insgesamt sehr hohe Anzahl von Kratern ergab zudem, dass Teile der Oberfläche des Asteroiden bis zu 3,6 Milliarden Jahre alt sind. Denn je länger eine Oberfläche dem ständigen kosmischen Bombardement ausgesetzt war, desto mehr Krater weist sie auf. "Ob Lutetia auch erste Ansätze einer inneren Schichtstruktur besitzt, lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit Sicherheit sagen", so Sierks. Es spreche zwar einiges dafür. Doch erst weitere Untersuchungen der gewonnenen Daten können hier Gewissheit bringen.

"Insgesamt hat uns Lutetia völlig überrascht", so Sierks. "Anstelle eines einheitlichen, vergleichsweise unauffälligen Asteroiden haben wir eine eigene kleine Welt vorgefunden - mit einer komplexen Geographie". So entdeckten die Forscher nicht nur riesige Krater mit Durchmessern von mehr als 55 Kilometern, sondern auch Anzeichen für Erdrutsche, tiefe Rillen und Bergketten. Insgesamt konnten die Wissenschaftler sieben Regionen identifizieren, die sich auf Grund ihrer morphologischen Merkmale deutlich unterscheiden.

Auf ihrem Weg zum Kometen Churjumov-Gerasimenko ist die Raumsonde Rosetta im Juli 2010 am Asteroiden Lutetia vorbeigeflogen. Der Asteroid kreist im so genannten Asteroidengürtel zwischen den Umlaufbahnen des Mars und des Jupiter um die Sonne. Rosetta startete 2004 ins All und soll ihr Ziel 2014 erreichen. OSIRIS, das wissenschaftliche Kamerasystem an Bord, wurde unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Zusammenarbeit mit einem Team, an dem sechs europäische Länder beteiligt sind, entwickelt und gebaut. Es besteht aus einer Weitwinkel- und einer Tele-Kamera. Das Kamerasystem wird von Forschern des MPS betrieben.


Originalveröffentlichung

H. Sierks et al.:
Images of Asteroid 21 Lutetia: A Remnant Planetesimal from the Early Solar System
Science, 28. Oktober 2011


Weitere Informationen

< Dawn-Webseite am MPS


Kontakt

Dr. Birgit Krummheuer
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung
Max-Planck-Straße 2
37191 Katlenburg-Lindau
Tel.: 05556 979 462
Fax: 05556 979 240
Mobil: 0173 3958625
Email: krummheuer@mps.mpg.de

Dr. Holger Sierks
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung
Max-Planck-Straße 2
37191 Katlenburg-Lindau
Tel: 05556 979 242
Email: sierks@mps.mpg.de

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