Wissenschaftliches Highlight März 2006
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Vor 20 Jahren, am 13. März 1986, flog die Weltraumsonde Giotto am Kometen Halley vorbei. Was waren aus heutiger Sicht die wichtigsten Ergebnisse?
Komet Halley ist ein relativ heller Komet. Wenn er sich in Sonnen- und Erdnähe befindet, ist er normalerweise mit bloßem Auge zu sehen. Er erscheint dann als Stern mit Schweif: Aus einer sternförmigen Kondensation wächst ein Schweif, der, wenn man ihn an dunklem Himmel ohne störende Straßenbeleuchtung sieht, eine beträchtliche Länge erreichen kann. Edmond Halley sagte 1705 die periodische Wiederkehr des heute nach ihm benannten Objektes voraus. Der Komet läuft auf einer lang gestreckten Ellipsenbahn mit einer Periode von 76 Jahren um die Sonne. Er erreicht seine größte Annäherung an die Sonne bei 0.587 Erde-Sonne-Abständen (88 Mio km) und seinen sonnenfernsten Punkt bei 35 Erde-Sonne-Abständen (5,25 Mrd km) außerhalb der Neptunbahn. Komet Halley leuchtete den Normannen, als sie 1066 die Engländer bei Hastings besiegten. Giotto di Bondone hat den Kometen Halley als Weihnachtsstern über seinem Bild der Geburt Christi in der Scrovegni-Kapelle in Padua abgebildet. Schon vor dem Vorbeiflug der Giotto-Sonde am Kometen Halley wusste man, dass die Kometenerscheinung von einem Kern der Größenordnung einiger Kilometer ausgeht: Nach Whipple ist der Kern ein schmutziger Schneeball, der aus Wassereis, vermischt mit anderen flüchtigen (verdampfbaren) Substanzen und festen Materialien (Staub), besteht. Sie verdampfen (besser: sublimieren) unter dem Einfluss der Erwärmung durch die Sonne und bilden die Neutralgaskoma und den Plasmaschweif. Der Staubschweif besteht aus den bei der Verdampfung mitgerissenen Staubteilchen.
Warum interessieren wir uns heute für Kometen? Eine wichtige Frage für den Menschen ist die Frage nach seinem Ursprung. Dies schließt die Frage nach dem Ursprung der Erde und des Sonnensystems mit ein. Wie wir heute wissen, ist unsere Sonne aus einer interstellaren Molekülwolke entstanden. In den Molekülwolken gibt es Gas und kleine feste Körper (Staub). Wenn die Molekülwolke eine minimale Dichte überschreitet, z.B. durch das Ausfrieren von Eis bei extrem niedrigen Temperaturen, klumpt sie sich zusammen und es entsteht ein Zentralstern. Wegen der Erhaltung des Drehimpulses der Wolke entsteht gleichzeitig um den Stern herum eine protoplanetare Scheibe, aus der sich dann Planeten bilden. Hierbei ist es wichtig, dass beide Komponenten, Gas und Staub, vorhanden sind. Der junge Stern erwärmt sich durch seine Kontraktion. In seinem Innern setzen Kernreaktionen ein, aus denen auch heute noch unsere Sonne ihre Leuchtkraft und Energie bezieht. Wie unsere heutige Sonne war die junge Sonne heiß und erwärmte die inneren Teile ihrer protoplanetaren Scheibe stärker als die äußeren. Dadurch entstand eine chemische Differentiation: leicht verdampfbares Material ging in der Nähe der Sonne verloren und gelangte nur zum kleinen Teil in die inneren Planeten. Im äußeren Sonnensystem hingegen sind flüchtige Bestandteile wie Wasserstoff in die Planeten eingebaut worden. Es gibt noch eine weitere Differentiation, und zwar die nach der Masse (dem Gewicht) der entstehenden Körper. Hierbei bleiben kleine Körper (Durchmesser kleiner als 100 km) ursprünglicher als größere, die sich wie die junge Sonne aufgrund ihrer eigenen Gravitation zusammenziehen können und dabei wieder Wärme entwickeln, wobei die ursprüngliche chemische Zusammensetzung und die Verteilung der Materie im Körper sich weiter verändert. Wir erhalten erstaunlich detaillierte Auskunft über die chemische und mineralogische Zusammensetzung des inneren Sonnensystems (Merkur bis Mars) aus dem Studium der Meteoriten, die als leuchtende Meteore (Sternschnuppen) in die Atmosphäre eindringen und schließlich als kosmische Stein- und Metallbrocken vom Erdboden aufgelesen werden können. Aber wie steht es mit dem äußeren Sonnensystem?
Nun kehren wir wieder zur Giotto-Sonde zurück, denn die Untersuchungen dieser Sonde (und der russischen VeGa-Sonden) haben bei dieser Frage eine entscheidende Rolle gespielt.
Natürlich entstehen bei jedem neuen Ergebnis weitere Fragen. Bei den Kometenkernen ist es die Frage nach ihrer inneren Struktur und nach den physikalischen Mechanismen, die die Verdampfung der kometaren Materie aus eng begrenzten Aktivitätsgebieten bewirken. Bei der Messung der chemischen Zusammensetzung, besonders bei der Zusammensetzung der Staubteilchen, müssen die Messungen genauer und detaillierter werden. Entsprechende Experimente gibt es auf der Rosetta-Sonde, die gegenwärtig zum Kometen Churyumov-Gerasimenko fliegt. Am liebsten würden wir einmal ein Stück von einem Kometen so gründlich im Labor untersuchen können, wie das schon lange bei den Meteoriten geschieht. Kometaren Staub vom Kometen Wild 2, eingebettet in ein so genanntes Astrogel, hat die amerikanische Stardust-Sonde Anfang des Jahres auf die Erde gebracht. Aber bis wir ein Stück kometaren Schnees oder Eises in einem irdischen Labor analysieren können, wird es wohl noch ein Weilchen dauern.
© 2009, Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, Lindau |
Klaus Jockers 17-03-2006 |