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Pressenotiz 04/2005
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Pressenotiz 04/2005 - 22. April 2005

Der Sonnenwind entsteht in koronalen Trichtern

Die ESA/NASA Raumsonde SOHO bestimmt den Ursprung des schnellen Sonnenwinds in der Atmosphäre der Sonne

Eine chinesisch-deutsche Gruppe von Wissenschaftlern hat die magnetischen Strukturen in der Sonnenkorona identifiziert, in denen der schnelle Sonnenwind seinen Ursprung hat. Mit Hilfe von Bildern und Dopplerdiagrammen des Ultraviolett-Spektrometers SUMER (Solar Ultraviolet Measurements of Emitted Radiation) und von Magnetogrammen des MDI (Michelson Doppler Imager) Instruments auf der Raumsonde SOHO (Solar and Heliospheric Observatory) von ESA und NASA, beobachteten die Forscher das Ausströmen des Sonnenwindes aus trichterförmigen Strukturen des magnetischen Feldes, die in den Randzonen des magnetischen Netzwerkes nahe der Oberfläche der Sonne verankert sind.

Diese Beobachtungen wurden in der Ausgabe vom 22. April 2005 der Wissenschaftszeitschrift SCIENCE vorgestellt. Die Forschungsergebnisse führen zu einem besseren Verständnis der magnetischen Natur der Quellen des Sonnenwindes, einem Strom dünnen und heißen Plasmas (elektrisch leitfähiges Gas), das unter anderem das Weltraumwetter in der Umgebung der Erde beeinflusst.

Der Sonnenwind besteht aus Protonen, Alphateilchen (zweifach ionisiertes Helium), einigen schweren Ionen und Elektronen, die von der Oberfläche der Sonne in alle Richtungen mit Geschwindigkeiten ausströmen, die bei der Erdbahn 300 bis 800 km/s erreichen. Die schweren Ionen in den Quellregionen in der Korona emittieren ultraviolette Strahlung bei ganz bestimmten Wellenlängen. Strömen die Ionen nun im Sonnenwind in Richtung Erde, so werden die Wellenlängen der ultravioletten Strahlung kürzer, ein Phänomen das Dopplereffekt genannt wird und in seiner akustischen Variante weithin bekannt ist, z.B. von der Tonänderung des Horns eines Polizeiautos bei Annäherung oder Zurückweichen. Im Fall der Sonne wird die Bewegung des Plasmas auf uns zu, was weg von der Sonnenoberfläche bedeutet, als Blauverschiebung im ultravioletten Spektrum beobachtet und kann folglich verwendet werden, die Ausströmgeschwindigkeit des Sonnenwindes zu bestimmen.

Ein ultraviolettes Spektrum des SUMER Instruments ist ähnlich dem, was man sieht, wenn ein Prisma weißes Licht in die Regenbogenfarben zerlegt. Jedoch ist die ultraviolette Strahlung für das menschliche Auge unsichtbar und kann die Atmosphäre der Erde nicht durchdringen. Indem sie mit SUMER auf SOHO die ultraviolette Strahlung vom Weltraum aus messen und spektral analysieren, können die Sonnen-physiker die Temperatur, den chemischen Aufbau und die Bewegung des Gases in den verschiedenen Atmosphärenschichten der Sonne bestimmen und so viel über die Sonne lernen.

"Die genaue magnetische Struktur der Quellregion des Sonnenwindes ist bisher unklar gewesen" sagt der erste Autor Prof. Chuanyi Tu, von der Abteilung für Geophysik der Peking Universität in Beijing, China. "Schon seit vielen Jahren hatten Sonnen- und Weltraumphysiker schnelle Sonnenwindströme beobachtet, die aus Regionen in der Korona mit geöffneten Magnetfeldlinien und niedriger Strahlungs-intensität, den so genannten koronalen Löchern, kommen. Jedoch nur indem wir die umfassenden und komplexen Beobachtungen von SOHO auf neue Weise kombinierten, waren wir in der Lage, die physikalischen Eigenschaften der Plasmaquellen innerhalb der koronalen Löcher zu erschließen. Der schnelle Sonnenwind scheint in den koronalen Trichtern mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 10 km/s bei einer Höhe von 20000 km über der Photosphäre zu entstehen."

"Der schnelle Sonnenwind fängt also erst an der Oberseite der Trichter in den koronalen Löchern an", stellt Prof. Tu weiter fest. "Dieses Ausströmen wird an den großen blauen Flecken (schraffierte Bereiche in der Abbildung) in der Dopplerverschiebung sichtbar, und als Blauverschiebung in einer Spektrallinie gesehen, die von Neon-Ionen bei einer Temperatur von 600 000 K ausgestrahlt wird. Sie kann als guter Indikator für die Strömung des heißen Plasmas verwendet werden kann. Durch einen Vergleich mit dem magnetischen Feld, wie es aus der Photosphäre mittels der magnetischen Daten von MDI extrapoliert wurde, fanden wir, dass das Muster der Blauverschiebung dieser Linie gut mit den geöffneten Feldstrukturen in 20 000 km Höhe übereinstimmt."

Abbildung 1: Ursprungsregionen des Sonnenwindes. Die Bilder veranschaulichen die Position und Geometrie der dreidimensionalen Strukturen des magnetischen Feldes in der Sonnenatmosphäre. Die magenta-roten farbigen Kurven zeigen geöffnete Feldlinien, und die dunkelgrauen Bögen stellen geschlossene Magnetfeldschleifen dar. In der unteren Fläche wird die vertikale Komponente des magnetischen Feldes, wie es in der Photosphäre von MDI gemessen wird, gezeigt. In der oberen Fläche bei 20600 km, wird die Doppler-Verschiebung der Neon VIII Linie mit dem extrapolierten Magnetfeld verglichen. Der schraffierte Bereich zeigt an, wo die Geschwindigkeit des hoch ionisierten Neons größer als 7 km/s ist. Man beachte, dass der Trichter in seinem unteren Querschnitt durch die benachbarten Magnetfeldschleifen stark zusammengedrückt wird.

Bild: MPI für Sonnensystemforschung

Mit dem SUMER Spektrometer wurden die Quellen des Sonnenwindes untersucht, indem die ultraviolette Strahlung beobachtet wurde, die von einer großen Region in der Nähe des Nordpols der Sonne kommt. "Die eindeutige Bestimmung der magnetischen Struktur seiner Quelle, jetzt als koronale Trichter genau identifiziert, und die Ermittlung der Entstehungshöhe und der Ausgangsgeschwindigkeit des Sonnenwindes sind wichtige Schritte bei der Lösung des Problems, was die Nachlieferung seiner Masse und anfängliche Beschleunigung des Sonnenwindes angeht. Wir können unsere Aufmerksamkeit jetzt weiter auf das Studium des Plasmazustands und der physikalischen Prozesse richten, die in den expandierenden koronalen Trichtern und in ihren schmalen Hälsen, welche im magnetischen Netzwerk verankert sind, auftreten", sagt Prof. Eckart Marsch, Mitautor der SCIENCE Veröffentlichung. Die Natur und der Ursprung des Sonnenwindes sind zwei der Hauptprobleme, für deren Lösung die SOHO-Mission konzipiert wurde. Es war unter den Sonnenphysikern schon lange bekannt, dass der schnelle Sonnenwind aus den koronalen Löchern kommt. Hier nun wurde entdeckt, dass das Ausströmen in den koronalen Trichtern erst oben beginnt. Unterhalb der Oberfläche der Sonne gibt es große Konvektionszellen. Jede Zelle führt Magnetfelder mit sich, die durch die Magnetokonvektion im Netzwerk konzentriert werden, wo auch die Trichterhälse verankert sind. Das Plasma wird, während es in den kleinen Magnetfeldschleifen gefangen ist, durch Konvektion zu den Trichtern transportiert und dann entleert, als ob ein Eimer Wasser in einen Abfluss geschüttet würde.

"Früher dachte man, dass der schnelle Sonnenwind auf jeder offenen Feldlinie (tief in der Ionisierungsschicht des Wasserstoffs) etwas oberhalb der Photosphäre entstünde", sagt Prof. Marsch, "jedoch zeigt die niedrige Dopplerverschiebung einer Emissionslinie von Ionen des Kohlenstoffs, dass bei 5000 km Höhe noch kein Massenausfluss stattfindet. Das Sonnenwindmaterial, so glauben wir jetzt, wird in Form von Plasma nachgeliefert, welches aus den vielen kleinen magnetischen Schleifen mit nur einigen tausend Kilometern Höhe stammt und seitlich in die koronalen Trichter eingefüllt wird. Durch magnetische Verknüpfung wird Plasma von allen Seiten aus den sich öffnenden Magnetfeldbögen an einen offenen Trichter geliefert, wo es beschleunigt werden und so schließlich den Sonnenwind bilden kann."

Das SUMER-Instrument wurde unter der Leitung von Dr. Klaus Wilhelm entwickelt, der auch ein Mitautor des Papiers ist. Es wurde am Max Planck-Institut für Sonnensystemforschung (ehemaliges Max-Planck-Institut für Aeronomie) in Lindau, Deutschland gebaut, mit Beiträgen vom Institut d'Astrophysique Spatiale in Orsay, Frankreich, dem Goddard Raumflugzentrum der NASA in Greenbelt, Maryland, der Universität von Kalifornien in Berkeley, USA, und mit finanzieller Unterstützung deutscher, französischer, amerikanischer und schweizerischer Agenturen. SOHO beobachtet seit fast 10 Jahren und ist an einem besonders günstigen Punkt bei 1,5 Millionen Kilometer vor der Erde in Richtung Sonne stationiert. SOHO ist eine internationale Zusammenarbeit zwischen den Weltraumorganisationen ESA und NASA. Es wurde auf einer Atlas II Rakete vom Kennedy Raumfahrtzentrum der NASA in Florida im Dezember 1995 gestartet und wird vom Goddard Raumflugzentrum bei Washington aus gesteuert und betreut.


Weitere Informationen

Eckart Marsch
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, Katlenburg-Lindau, Deutschland
Tel.: +49 (0)5556 979 - 292
Fax : +49 (0)5556 979 - 240
link mail marsch@mps.mpg.de

Chuanyi Tu
Peking University, Beijing, China
Tel.: +86 (10)62767223
Fax : +86 (10)62564095

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