21. Erich-Regener-Vortrag
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Zum 21. "Erich-Regener-Vortrag" lädt das Max-Planck-Institut für Aeronomie (MPAE) in Katlenburg-Lindau alle interessierten Hörer in seinen Hörsaal ein (Ortsteil Lindau, Max-Planck-Straße 2). Am Mittwoch, dem 6. März 2002, um 19.00 Uhr, wird Herr Arnold Zenkert einen ca. einstündigen Vortrag über das Thema "Sonnenuhren - Dokumente der Zeitmesskunst" halten. Studienrat i.R. Arnold Zenkert wurde 1923 in Nordböhmen geboren und studierte in Potsdam Geographie und Pädagogik. Er leitete die Ausbildung von Astronomielehrern und 20 Jahre lang das Planetarium Potsdam. Außerdem war er Vorsitzender des Arbeitskreises Sonnenuhren in der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie.
Hat es im Zeitalter der Computer und Digitaluhren überhaupt einen Sinn, sich mit Sonnenuhren zu befassen? Längst sind wir nicht mehr auf diese altmodischen Zeitanzeiger angewiesen - und außerdem gehen sie falsch, im Rheinland bis zu einer halben Stunde gegenüber unserer Normalzeit (MEZ)! Doch gehen die Sonnenuhren im Rheinland falsch, dann gehen sie eigentlich richtig - so die (paradoxe) Antwort. Sonnenuhren zeigen stets den Stand der Sonne an der Sphäre an, die wahre Ortszeit. Es ist einleuchtend, dass zwischen Görlitz und Aachen ein Unterschied in der Ortszeit, der Sonnenuhrenzeit, bestehen muss.
Sonnenuhren gehören zu den ältesten wissenschaftlichen Instrumenten und sind Zeugnisse früher menschlicher Beobachtungs- und Erfindungsgabe, technische Denkmäler bzw. Dokumente der Zeitmesskunst. Der Mensch hatte es bald gelernt, den Schattenwurf der Sonne zu kennzeichnen und damit eine Beziehung zur Tages- und Jahreszeit herzustellen. Von den Chinesen ist bekannt, dass sie bereits vor 4600 Jahren den Schattenwurf für die Zeitbestimmung benutzten.
Von 1500 bis um 1800 erlebte der Bau von Sonnenuhren eine Blütezeit. Mit Recht spricht man von den "drei goldenen Jahrhunderten" in der Gnomonik, der Wissenschaft von den Sonnenuhren. Einen Höhepunkt bildete die barocke Zeit, als an den Prunkfassaden der Schlösser, Kirchen und Klöster große und überaus kunstvolle Sonnenuhren entstanden. Figürliche Darstelllungen, dekorative Schmuckelemente, farbige Bilder und geistvolle Sinnsprüche verleihen den Sonnenuhren im Barock eine gewisse künstlerische Eigenständigkeit und Schönheit. Der Süden Deutschlands und Europas ist reich an Sonnenuhren aus dieser Zeit.
Und heute? Überflüssig ist die Frage, welchen praktischen Wert sie heute noch haben. Man sollte nicht immer nach dem materiellen Wert der Dinge fragen. Sonnenuhren erinnern uns an eine Zeit, als die mechanischen Uhren noch keine Selbstverständlichkeit waren und die Menschen sich mühen mußten, die Zeit zu bestimmen und diese einzuteilen. Geht von den Sonnenuhren nicht eine gewisse Faszination, ein Hauch von Altertümlichkeit aus? Wird hier nicht eine Verbindung zwischen Mensch und Kosmos hergestellt, wenn der Lauf der Sonne über den Schattenwurf in die Geometrie des Zifferblattes übertragen wird? Die Sonnenuhr ist im 3. Jahrtausend keineswegs überholt. Einst waren die Sonnenuhren gefragte Gebrauchsgegenstände, im modernen Baugeschehen haben sie als ansprechendes Schmuck- und Gestaltungselement für Gebäude und Freiflächen ihren Platz behauptet. Astronomie, Mathematik, Kulturgeschichte und Kunst haben die Sonnenuhr geprägt. Für Steinmetzen, Bildhauer, Metallgestalter und Maler bildet die Herstellung von Sonnenuhren noch heute ein weites Betätigungsfeld.
© 2006, Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, Lindau |
Dr. Bernd Wöbke 06-03-2002 |