Elektrische Ströme in der Photosphäre - Ein Maß für den Energiegehalt der Sonnenkorona
Das Sonneninnere, die Photosphäre und die Korona sind durch das Sonnenmagnetfeld miteinander gekoppelt. Leider lässt sich das koronale Magnetfeld nicht direkt messen und daher extrapolieren wir photosphärische Magnetfeldmessungen in die Korona. In der Vergangenheit wurde bei solchen Extrapolationen meisst die Annahme gemacht, dass in der Sonnenkorona keine elektrischen Ströme fliessen. Messungen mit Vektormagnetographen, wie etwa dem Solar Flare Telescope (SFT) in Tokio zeigen aber, dass in der Photosphäre starke elektrische Ströme vorhanden sind, die wir jetzt bei der Modellierung des koronalen Magnetfeldes berücksichtigen. Die starke Lokalisierung der Ströme erschwert dabei die Berechnungen, da das zu Grunde liegende mathematische Modell nichtlinear wird. Auch muss die stark unterschiedliche Struktur der Photosphäre und der Korona berücksichtigt werden. Während in der Photosphäre der Gasdruck des Plasmas und der Magnetfelddruck etwa gleich gross sind, dominiert das Magnetfeld in der Korona beinahe vollständig. Diese Unterschiede in Korona und Photosphäre machen es notwendig, dass die gemessenen photosphärischen Magnetfelder zunächst geeignet vorverarbeitet (preprocessing) werden müssen, bevor sie als Randbedingung für koronale Magnetfeldmodelle benutzt werden können. Die Dominanz des Magnefeldes in der Sonnenkorona (Der Magnetfelddruck ist etwa 10000 mal so hoch wie der Plasmadruck) führt dazu, dass die elektrischen Ströme nur parallel oder antiparallel zum Magnetfeld fliessen können. Diese Ströme sind auf allen Skalen wichtig für eine exakte Berechnung der Magnetfeldtopologie und Energie. Ein bedeutender Anteil dieser koronalen Energie, insbesondere in aktiven Gebieten, manifestiert sich in den elektrischen Strömen.
Das Bild zeigt eine nichtlineare kraftfreie Extrapolation des koronalen Magnetfeldes für das aktive Gebiet AR 7231. Das Magnetfeld (Rot: positiv, blau: negativ) und der elektrische Strom in der Photosphäre wurden mit dem Solar Flare Telescope (SFT) in Tokio gemessen. Die Energie des aktiven Gebietes ist wegen der elektrischen Ströme 30% grösser als unter Annahme eines Potentialfeldes berechnet. Diese überschüssige Energie kann explosionsartig, etwa als Flare oder koronaler Massenausbruch, freigesetzt werden. Die Details dieser hoch dynamischen Prozesse sollen in naher Zukunft im Rahmen der NASA-ESA Mission STEREO erforscht werden.
Originalveröffentlichung
T. Wiegelmann, B. Inhester, T.Sakurai
Preprocessing of vector magnetograph data for a nonlinear force-free magnetic field reconstruction
Solar Physics, Vol. 233, 215-232, 2006