Erste Daten vom ASPERA-4 Experiment auf Venus Express
Die Venus ist der Erde in Größe, Masse, Dichte und Volumen sehr ähnlich, hat sich jedoch in den letzten vier Milliarden Jahren in eine radikal andere Richtung entwickelt. Kurz gesagt, zeichnet sich die Venus durch eine toxische Atmosphäre, bestehend hauptsächlich aus Kohlendioxid, schwefelsäurehaltigen Wolken, einer brennend heißen Oberflächentemperatur (≈ 750 K) und einem sehr hohen Bodendruck (95 bar; Erde: 1 bar) aus. Warum hat sich die Venus in eine solch lebensfeindliche Welt entwickelt? Die Antwort darauf ist hilfreich, um vergleichende Zusammenhänge in der Planetologie herstellen zu können, und ist wichtig, um die langzeit-klimatischen Veränderungsprozesse der Erde zu verstehen.
Die Ziele von Venus Express sind die globale Untersuchung der Venus Atmosphäre und ihrer Plasma-Umgebung, sowie die Erforschung der Oberfläche und Geologie des Planeten. Die grundlegende Philosophie der Mission ist die Beobachtung desselben Phänomens mit unterschiedlichen Instrumenten zur selben Zeit. Das liefert uns ein umfassendes, vielseitiges und vollständiges Bild der verschiedenen Ereignisse, die auf der Venus stattfinden.
Venus Express, ESA’s erste Mission zum Schwesterplaneten Venus, wurde am 9. November 2005 mit einer Sojuz-Fregat-Rakete von Baikonur (Kazahkstan) aus erfolgreich gestartet. Nach einer 5-monatigen Reise ins innere Sonnensystem ist die Raumsonde am 11. April 2006 an ihrem Bestimmungsort angekommen und wurde nach dem Einschwenken in die Umlaufbahn von der Schwerkraft des Planeten eingefangen. Der Satellit bewegt sich nun auf einem polaren Orbit, der eine minimale Höhe von nur 250 km hat, einen maximalen Abstand von 66000 km und eine Umlaufdauer von ungefähr 24 Stunden besitzt. Messungen auf diesem Orbit werden über 2 Venus-Tage bzw. etwa 500 Erdtage gemacht. Auf Venus Express befinden sich folgende Instrumente: ASPERA-4 (Analyser of Space Plasma and Energetic Atoms), MAG (Magnetometer), PFS (Planetary Fourier Spectrometer), SPICAV/SOIR (Ultraviolet and Infrared Atmospheric Spectrometer), VeRa (Venus Radio Science Experiment), VIRTIS (Ultraviolet/visible/near-infrared Mapping Spectrometer) und VMC (Venus Monitoring Camera).
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Abbildung 1: ASPERA-4 Daten vom 30. Mai 2006, zwischen 01:00 UT und 03:30 UT. Das obere Diagramm zeigt die Zählrate des Elektronenspektrometers im Energiebereich 20 - 1000 eV, das mittlere Diagramm die Zählrate des Ionenspektrometers im Energiebereich 10 - 10000 eV und das untere Diagramm die Höhe von Venus Express über dem Planeten als Funktion der Zeit. Alle Plasmagrenzen sind durch vertikale schwarze Linien markiert.
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Das ASPERA-4 Experiment ist eine internationale Zusammenarbeit von europäischen und amerikanischen Wissenschaftlern unter der Führung des schwedischen Instituts für Weltraumphysik (IRF) in Kiruna. Die Hauptziele des Instruments sind die Untersuchung der Wechselwirkung zwischen Sonnenwind und Atmosphäre der Venus, sowie die Beschreibung der Plasma- und Neutralteilchen-Umgebung des Planeten durch lokale Plasma-Messungen und Imaging von energetisch neutralen Atomen.
ASPERA-4 besteht aus 4 Sensoren:
- Neutral Particle Imager (NPI), misst den integralen Neutralteilchen-Fluss ohne Massen- und Energieauflösung bei hoher räumlicher Auflösung im Energiebereich 0.1 - 60 keV
- Neutral Particle Detector (NPD), unterscheidet Massen (Wasserstoff und Sauerstoff) und Geschwindigkeit von Neutralteilchen im Energiebereich 0.1 - 10 keV
- Electron Spectrometer (ELS), bestimmt die Elektronenverteilung bei thermischen und hohen Energien im Bereich 0.01 - 20 keV
- Ion Mass Analyzer (IMA), misst die Hauptionenkomponenten (H, H2, He and O) im Energiebereich 0.01 - 40 keV
Um die räumliche Abdeckung zu erhöhen sind NPI, NPD und ELS auf einer drehbaren Plattform montiert. Das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung hat in Zusammenarbeit mit IDA (TU Braunschweig) und IFSI (Rom) die Elektronik für den NPD Sensor entwickelt und gebaut und ist auch an der Analyse der wissenschaftlichen Daten beteiligt.
Die Grafik zeigt ASPERA-4 Daten vom 30. Mai 2006. Dargestellt sind die Energiespektrogramme des ELS und IMA Sensors, sowie auch die Höhe von Venus Express über dem Planeten in Venus-Radien als Funktion der Zeit (1 RV = 6051.5 km). Die Beobachtungen weisen die Hauptmerkmale der Wechselwirkung zwischen Sonnenwind und Venus auf. Da der Sonnenwind supersonisch ist, bildet sich vor dem Planeten eine Bugstoßwelle ("bow shock") aus. Die Bugstoßwelle ist eine Diskontinuität in der Sonnenwindströmung, die sich durch einen abrupten Anstieg der Turbulenz, erhöhten Elektronenfluss und Plasmatemperaturen, sowie durch einen Abfall der Sonnenwindgeschwindigkeit auszeichnet. Die Region zwischen der Bugstoßwelle und der magnetischen Barriere ("magnetic barrier"), in der sich der Sonnenwind verlangsamt und erhitzt, wird als "Magnetosheath" bezeichnet. Im Gegensatz zur Erde hat Venus kein planetares Magnetfeld, das die Venus Atmosphäre vor Erosion schützen würde. Somit treffen die Sonnenwind-Ionen und Elektronen wie auch das interplanetare Magnetfeld direkt auf die Ionosphäre der Venus und induzieren dort Ströme, welche wiederum für die Erzeugung der magnetischen Grenze verantwortlich sind. An dieser magnetischen Barriere wird das interplanetare Magnetfeld komprimiert und der Sonnenwind wird am Eindringen in die Ionosphäre gehindert. Folglich fliesst der meiste Teil des Sonnenwindes um den Planeten herum. Während der Eklipse, wenn sich die Raumsonde im Schatten der Venus befindet, werden schwere Ionen planetaren Ursprungs beobachtet - höchstwahrscheinlich Sauerstoffionen. Anschließend passiert Venus Express wieder dieselben Regionen, jedoch in umgekehrter Reihenfolge.
Die Daten vom 30. Mai 2006 stammen aus der "orbit commissioning phase", die am 22. April 2006 begonnen hatte, in der alle Instrumente der Raumsonde eingeschaltet und getestet wurden. Bereits in dieser frühen Phase liefern die Instrumente an Bord von Venus Express aufregende Daten, und wir blicken nun gespannt auf die Hauptphase der Mission, die am 4. Juni 2006 begonnen hat.
Links
Venus Express am MPS
ASPERA-4 am MPS
Venus Express am IWF (Institut für Weltraumforschung)
Venus Express Homepage der ESA
Venus Express Special bei ESA
Swedish Institute of Space Physics
ASPERA-4 am IRF