STEREO: Eine neue Dimension in der Sonnenforschung
Der Start der NASA Mission STEREO mit MPS Beteiligung steht kurz bevor
Am 18. September 2006 plant die NASA in Cape Canaveral zwei Raumsonden zu starten, die eine neue Ära in der Sonnenforschung einleiten.
Die fast baugleichen Sonden gehören zur STEREO-Mission der NASA und sind mit Unterstützung der ESA in siebenjähriger Bauzeit in den Labors der in der Sonnenforschung führenden Wissenschaftsinstitute der Welt entwickelt worden. In Deutschland ist das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Katlenburg-Lindau das federführende deutsche Mitglied dieser Mission. In Zusammenarbeit mit den Universitäten Kiel und Göttingen hat das MPS wichtige Teile für Teleskope und Teilchendetektoren an Bord der STEREO-Sonden beigesteuert.
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Abbildung 1: Zukünftige Position der STEREO Sonden in Relation zur Erde (mitte rechts) und Sonne (unten links mit angedeuteter Eruption)
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Das Startfenster für die Mission beginnt am 18. September um 17:20 Uhr Ortszeit in Florida. Dann soll eine Delta II Rakete die beiden Sonden ins All befördern.
Der Name STEREO der Mission ist ein Akronym für "Solar TErrestrial RElations Observatory" und beschreibt das Ziel der Mission: Unser Verständnis von Prozessen auf der Sonnenoberfläche und ihre Auswirkung auf die Erdatmosphäre, also vom "Weltraumwetter", zu verbessern. Zum ersten Mal werden dazu den Forschern die Beobachtungen zweier Sonden zur Verfügung stehen, die aus unterschiedlichen Blickrichtungen gleichzeitig die Sonne und die umgebende Heliosphäre beobachten. Diese Beobachtungen gestatten erstmals eine dreidimensionale Analyse von Sonneneruptionen, der dabei vorherrschenden Magnetfelder und den damit verbundenen Schauern kosmischer Strahlung.
Die zwiespältige Rolle, die die Sonne für das Leben auf der Erde spielt, ist seit alters her bekannt. Heute können wir die Wohltaten und Gefahren, die von der Sonne ausgehen, konkreter benennen: sie wärmt einerseits die Erdoberfläche auf jenen Temperaturbereich auf, der für lebensbildende Prozesse notwendig ist, sendet andererseits aber auch UV- und Partikelstrahlung aus, die lebensbedrohlich sein können, wenn sie ungehindert die Erdobfläche erreichen.
Seit der Sonnenwind von dem deutschen Astrophysiker Ludwig Biermann vor etwa 50 Jahren postuliert und u.a. durch die deutsche HELIOS-Mission, einer der ersten und wenigen nationalen deutschen Raumfahrtmissionen in den siebziger Jahren nachgewiesen und erforscht wurde, kennen wir viele Einzelheiten dieses stetigen, von der Sonne ausgehenden und mehrere Millionen km/h schnellen Stromes von vorwiegend Wasserstoff- und Heliumionen.
Nicht vorhergesagt und überraschend war die Entdeckung vor etwa 20 Jahren, dass in dem Sonnenwind abrupte Störungen eingebettet sind, die von plötzlichen Eruptionen auf der Sonnenoberfläche ausgehen (Abb. 2). Enorme Gasmassen von bis zu 10^10 Tonnen (etwa die Masse des Brocken) werden dabei in den Weltraum geschleudert und rasen von Magnetfeldern zusammengehalten mit Geschwindigkeiten von mehreren Millionen km/h in den interplanetaren Raum hinaus.
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Abbildung 2: Aufnahme einer solaren Eruption aufgenommen mit dem Koronagraphen LASCO der Sonnensonde SOHO. Die Sonne verbirgt sich hinter der Scheibe in der unteren rechten Bildmitte. Ihre Lage und Größe ist durch den Kreis angedeutet.
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Bewegen sich diese Gaswolken zufällig auf die Erde zu, stellen für uns Erdbewohner eine zusätzliche Gefahr dar. Während der normale Sonnenwind vom Magnetfeld der Erde in einem Abstand von etwa 10-15 Erdradien um die Erde herumgelenkt wird, staucht der ernorme Druck der Gaswolken den Abstand dieser Grenzfläche des Erdmagnetfeldes, der Magnetopause, auf bis zu der Hälfte zusammen. Eine sichtbare Begleiterscheinung dieser Kollision ist eine erhöhte Polarlichtaktivität bis nach Mitteleuropa hinein. Zudem werden bei der Eruption und während der Ausbreitung der Gaswolke energiereiche Partikel mit Energien von mehr als einer Million Elektronenvolt erzeugt, die tief in die Erdatmsphäre eindringen können. Astronauten im All sind dann für mehrere Stunden einer verstärkten Strahlendosis ausgesetzt und die Elektronik von Telekommunikations- und Fernsehsatelliten kann durch das Teilchenbombardement zerstört werden.
Bislang sind die Sonneneruptionen, die Ursache für diese Gaswolken, nur aus Erdnähe beobachtet worden. Wir wissen daher, dass sie unterschiedlich häufig vorkommen: zu Zeiten des alle 11 Jahre wiederkehrenden Aktivitätsminimums der Sonne sind sie eher selten und treten im Mittel alle zwei Wochen auf, während der dazwischen liegenden Aktivitätsmaxima können allerdings mehrere an einem Tag ausgelöst werden. Ein Manko der bisherigen Beobachtungen war, dass sie vor allem die Eruptionen erfassten, die auf der Sonnenperipherie ausgelöst wurden und dann mehr oder weniger im rechten Winkel zur Erde beschleunigt wurden. Diejenigen Gaswolken, die auf die Erde zurasten, ließen sich nur schlecht gegen den Sonnenhintergrund beobachten. Hier wird die STEREO-Mission eine entscheidende Verbesserung bringen.
Die beiden 620 kg schweren STEREO Sonden mit Kantenlängen von 6.4m x 4.3m x 2.6m werden in den nächsten Tagen mit einer dreistufigen Delta II Rakete gestartet. Nach 2-3 Monaten und mehreren Umrundungen der Erde wird die Ablenkung durch den Mond genutzt, um die Sonden auf eine Umlaufbahn um die Sonne zu bringen. Diese Bahn unterscheidet sich nur geringfügig von der Bahn der Erde. Der Unterschied ist jedoch groß genug, um der einen Sonde eine etwas schnellere, der anderen eine etwas langsamere Bahngeschwindigkeit als die der Erde zu verleihen. Von der Sonne aus gesehen entfernen sich die Sonden dann im Mittel von der Erde um etwa 20 Grad pro Jahr. Mit zunehmendem Abstand bieten die Sonden somit einen Blick auf die Sonne und den umgebenden Weltraum aus zwei unabhängigen Betrachtungswinkeln wie in Abb. 1 angedeutet.
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Abbildung 3: Eine der beiden STEREO Sonden mit den drei Sonnenteleskopen (Experiment SECCHI/SCIP), der Weitwinkelkamera (SECCHI/HI), den Teilchensensoren (IMPACT und PLASTIC) und dem Radiowellenexperiment (SWAVES). Die Sonne in dieser Darstellung ist oben, die Parabolantenne links zeigt in Richtung der Erde.
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Beide Sonden sind mit mehreren Teleskopen ausgestattet, welche die Sonne und ihre Umgebung bis zur Erdbahn beobachten. Diese Beobachtungen aus den verschiedenen Blickwinkeln der beiden Sonden läßt zum ersten Mal eine dreidimensionale Rekonstruktion der beobachteten Strukturen auf der Sonnenoberfläche, in der Sonnenatmosphäre, der Korona, und in der umgebenden Heliosphäre zu. Insbesondere können damit die Eruptionen und ihre Ausbreitungsrichtung zum ersten Mal dreidimensional eindeutig erfasst und zuverlässige Prognosen gemacht werden, ob sie sich auf die Erde zubewegen. Eine typische Zeitspanne von zwei Tagen, die die Gaswolke benötigt, um die Erde zu erreichen, gibt den Betreibergesellschaften von Satelliten genügend Zeit, Vorkehrungen zum Schutz der empfindlichen Elektronik ihrer Satelliten zu treffen. Weitere Instrumente auf den Sonden messen die energiereichen Partikelströme, die an der Frontseite der Wolken besonders intensiv auftreten und Radioemissionen, die von den energiereichen Partikeln ausgesandt werden (Abb. 3).
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Abbildung 4: Poster in deutscher Sprache zum STEREO Projekt
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Geplant ist die Mission für zunächst zwei Jahre. Die Forscher am MPS und an zahlreichen weiteren Instituten in den USA, Europa und Japan werden aber über mehrere Jahre mit der Auswertung der Daten beschäftigt sein. Hierbei werden Verfahren ähnlich der Luftbildstereoskopie oder der Computertomographie in modifizierte Form auf die Daten der STEREO-Mission angewendet. Am Ende werden wir lernen, eine bessere Vorhersage über das Eintreffen der Gaswolken von solaren Eruptionen auf die Erdatmosphäre zu machen.
Links
STEREO am MPS
STEREO bei NASA
STEREO bei JHU/APL
HELIOS am MPS