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Pressenotiz 21/2011
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Pressenotiz 21/2011 - 6. Oktober 2011

Kometen als Wasserlieferanten der Erde

Mit Hartley 2 haben Wissenschaftler erstmals einen Kometen entdeckt, dessen Wasser dem auf der Erde gleicht.

Nicht nur durch Einschläge von Asteroiden, sondern auch durch Kometen könnten große Teile des Wassers, das sich heute auf der Erde findet, auf unseren Planeten gelangt sein. Darauf deuten neue Messungen des Weltraumobservatoriums Herschel der Europäischen Weltraumagentur ESA hin, die Wissenschaftler unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) durchgeführt und jetzt ausgewertet haben. Denn mit 103P/Hartley 2 konnten die Forscher erstmals einen Kometen identifizieren, dessen Wasser ein ähnliches Verhältnis von schwerem zu "normalem" Wasserstoff aufweist wie irdisches Wasser. Hartley 2 hatte sich vor etwa einem Jahr auf seinem Weg um die Sonne der Erde auf nur 18 Millionen Kilometer genähert und so die empfindlichen Messungen ermöglicht. (Nature, Advance Online Publication, 5. Oktober 2011).

Es klingt zwar paradox, doch Wasser ist auf unserem blauen Planeten ein Zuwanderer. Denn in den frühen Tagen unseres Planetensystems war die Erde noch so heiß, dass alle leicht flüchtigen Stoffe wie etwa Wasser verdampften. Nur die äußeren Regionen des Sonnensystems jenseits der Umlaufbahn des Mars blieben reich an Wasser. Von dort soll es vor etwa 3,9 Milliarden Jahren zurück zur Erde gelangt sein - in erster Linie "an Bord" von Asteroiden, wie Forscher bislang vermuteten.

 

Abbildung 1: Das Wasser des Kometen 103P/Hartley 2 hat ein ähnliches Deuterium-Wasserstoff-Verhältnis wie das Wasser auf der Erde. Dieses Bild des Kometen wurde am 4. November 2010 von der NASA-Sonde EPOXI aufgenommen.
(Bild: NASA/JPL-Caltech/UMD)

 

"Gängige Theorien kamen zu dem Ergebnis, dass weniger als zehn Prozent des irdischen Wassers von Kometen stammen", erklärt Dr. Paul Hartogh vom MPS, der die neue Studie leitete. "Unsere Beobachtungen weisen erstmals darauf hin, dass Kometen eine deutlich wichtigere Rolle gespielt haben könnten", ergänzt Dr. Miriam Rengel vom MPS.

Wichtigstes Indiz bei der Suche nach dem kosmischen Wasserträger ist Deuterium, so genannter schwerer Wasserstoff, der in seinem Atomkern ein Neutron mehr besitzt als "normaler" Wasserstoff. Im irdischen Wasser beträgt das Verhältnis von Deuterium zu Wasserstoff etwa 1:6400. "Die Körper, welche das Wasser auf die Erde gebracht haben, sollten ein ähnliches Verhältnis der beiden Isotope aufweisen", erklärt Dr. Miguel de Val-Borro vom MPS.

Bisher traf dies vor allem auf Asteroiden zu, die aus dem äußeren Rand des Asteroidengürtels ganz in der Nähe der Umlaufbahn des Jupiters stammen. Die sechs Kometen, für die sich bisher Aussagen zum Deuterium-Wasserstoff-Verhältnis machen ließen, sind hingegen wahrscheinlich deutlich Deuterium-reicher. Ihren Ursprung haben all diese Kometen in der Nähe der großen Gasplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun.

Hartley 2 hingegen ist anders. Wissenschaftler glauben, dass seine kosmische Heimat im so genannten Kuipergürtel, einer Region am äußeren Rand des Sonnensystems, zu finden ist. Auf seinem ellipsenförmigen Weg um die Sonne kam der Komet im Oktober und November vergangenen Jahres so nah an der Erde vorbei wie noch nie zuvor seit seiner Entdeckung. Auch die Instrumente des Weltraumteleskops Herschel waren deshalb zu diesem Zeitpunkt auf den kosmischen Vagabunden gerichtet. Mit Hilfe genauer Beobachtungen seiner Koma - der Hülle aus Gas und Staub, die Kometen umgibt, wenn sie sich der Sonne nähern und ihre gefrorenen Bestandteile ausgasen - hofften die Forscher das Deuterium-Wasserstoff-Verhältnis bestimmen zu können.

"Wassermoleküle in der Koma senden im fernen Infrarotbereich eine charakteristische Strahlung aus", erklärt Hartogh. Dies gilt auch für die schwerere Spielart des Wassers: Wassermoleküle, bei denen ein Wasserstoff-Atom durch ein Deuterium-Atom ersetzt ist. "Aus dieser charakteristischen Strahlung lässt sich das Verhältnis von Deuterium zu Wasserstoff bestimmen", so Hartogh. Da das schwerere Wasser sehr selten vorkommt, ist seine Strahlungsintensität jedoch außerordentlich schwach. Mit dem empfindlichsten jemals gebauten Wasserdampfdetektor HIFI (Heterodyne Instrument for the Far Infrared) an Bord von Herschel, an dessen Entwicklung auch das MPS beteiligt war, konnten es die Forscher dennoch mit einem erstaunlich guten Signal-zu-Rauschverhältnis detektieren.

"Unsere Messungen ergaben, dass im Wasser von Hartley 2 auf jedes Deuterium-Atom etwa 6200 "normale" Wasserstoff-Atome kommen", bilanziert Hartogh. Dieses Verhältnis kommt dem irdischen Wert sehr nahe. "Kometen wie Hartley 2 müssen somit ebenso wie die Asteroiden als Wasserlieferanten in Betracht gezogen werden".

Doch die neuen Ergebnisse werfen auch weitere Fragen auf. Denn eigentlich dachten Wissenschaftler, dass die Entfernung des Entstehungsortes eines Körpers von der Sonne das Deuterium-Wasserstoff-Verhältnis in seinem Wasser maßgeblich bestimmt. Je weiter entfernt dieser Ursprungsort von unserem Zentralgestirn liegt, desto mehr Deuterium müsste der Körper enthalten. Hartley 2, dessen Ursprungsort wahrscheinlich außerhalb der Umlaufbahn des Neptun im Kuipergürtel liegt, scheint jetzt aus diesem Schema herauszufallen. "Entweder der Komet ist doch in größerer Nähe zur Sonne entstanden, als wir glaubten", so Hartogh. "Oder die gängigen Vorstellungen zur Deuterium-Verteilung müssen überdacht werden". Vielleicht ist Hartley 2 auch ein so genannter Trojaner, der in der Nähe des Planeten Jupiter entstanden ist und sich nie seinem Schwerefeld entziehen konnte.

Das Weltraumobservatorium Herschel der ESA startete am 14. Mai 2009 ins All und folgt der Bewegung der Erde um die Sonne in einem Abstand von 1,5 Millionen Kilometern von unserem Planeten. An Bord trägt Herschel drei wissenschaftliche Instrumente: das abbildende Spektrometer PACS (Photodetector Array Camera and Spectrometer), das hochauflösende Infrarot-Spektrometer HIFI (Heterodyne Instrument for Far Infrared) und SPIRE (Spectral and Photometric Image Receiver), ein weiteres abbildendes Spektrometer. HIFI, zu dessen Entwicklung Wissenschaftler des MPS beigetragen haben, ist das empfindlichste je für hochauflösende Wasser-Beobachtungen im fernen Infrarotbereich entwickelte Spektrometer. Die neuen Herschel-Beobachtungen sind Teil des Herschel-Forschungsprogramms "Wasser und verwandte Chemie im Sonnensystem", das aus einem internationalen Team von Wissenschaftlern besteht und das von Dr. Paul Hartogh vom MPS geleitet wird.

An der aktuellen Studie waren neben dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung auch das California Institute of Technology (USA), das LESIA-Observatoire de Paris (Frankreich), das Rosetta Science Operations Centre (Spanien), die Universität von Michigan (USA) und die Polnische Akademie der Wissenschaften beteiligt.


Originalveröffentlichung

Paul Hartogh, Dariusz C. Lis, Dominique Bockelée-Morvan, Miguel de Val-Borro, Nicolas Biver, Michael Küppers, Martin Emprechtinger, Edwin A. Bergin, Jacques Crovisier, Miriam Rengel, Raphael Moreno, Slawomira Szutowicz und Geoffrey A. Blake:
Ocean-like water in the Jupiter-family comet 103P/Hartley 2
Natur, Advance Online Publication, 5. Oktober 2011


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Dr. Birgit Krummheuer
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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37191 Katlenburg-Lindau
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